Hast Du Dich jemals gefragt, ob die traditionellen Beziehungsmodelle zu Dir passen? Ich lade Dich hier ein, die Vielfalt der Beziehungswelten zu entdecken. Erfahre, wie unterschiedliche Modelle wie Polyamorie oder offene Beziehungen funktionieren, und finde heraus, ob sie einen Platz in Deinem Leben haben könnten.
Lerne Dich anders kennen
Das hier ist eine von vielen Geschichten, von denen mir Teilnehmer erzählt haben. Da hat sich ein Paar gegen eine klassische Beziehung entschieden und ist damit glücklich geworden.
Alex und Jamie, beide unter dreissig sind vor drei Jahren aus der Provinz nach Berlin gezogen. Sie haben sich auf einer Party kennen gelernt und sind einander sehr zugeneigt. Für die erste Zeit wollen sie eine offene Beziehung führen. Schliesslich ist Berlin bekannt für die vielen Formen möglicher Beziehungsmodelle, die sie in dieser Stadt auch leben können.
Sie haben klare Regeln und Kommunikationswege festgelegt. Damit stellen sie sicher, dass sie sich in ihrer Beziehung wohl und respektiert fühlen. Alex und Jamie nehmen sich Zeit füreinander, um ihr Leben gemeinsam positiv zu gestalten und ihre Beziehung zu stärken. Sie sprechen regelmäßig über ihre Gefühle und teilen ihre Erfahrungen mit anderen Partnern.
Sie nutzen die Offenheit, um ihre persönliche Entwicklung zu fördern, ihre sexuellen Fantasien auszuleben und ihr Verständnis für die jeweils unterschiedlichen emotionalen Bedürfnisse zu fördern. Alex ist besonders an Ausflügen in die Welt des BDSM interessiert und probiert sich in der Fetischszene aus, während Jamie öfters etwas mit anderen Frauen erlebt.
Du könntest den Sex, den sie miteinander haben, durchaus als Blümchensex beschreiben. Ihre extremeren Erfahrungen machen beide ausserhalb ihrer Beziehung. Beide sind froh, dass der jeweils andere Partner die Bedürfnisse, zu denen sie keinen direkten Bezug haben, jeweils ausserhalb der Kernbeziehung auslebt.
Die Grundlage ihrer Beziehung jedoch ist eine tiefe emotionale Bindung und ein Grundvertrauen, in der beide die Freiheit haben, mit anderen Menschen sexuelle Erfahrungen zu haben, ohne ihre Kernbeziehung zu gefährden. Diese Struktur ermöglicht es beiden, eine bereichernde Partnerschaft zu erleben, die auf dem gemeinsamen Wunsch basiert, einander glücklich zu sehen.
Flexible Modelle des Zusammenseins
Höre Dich doch einmal in Deinem Bekanntenkreis um. Schnell kannst Du mitten in Welt der alternativen Beziehungsmodelle landen. Viele Menschen erleben eine monogame Beziehung, wie sie Kirche und Staat als „normal“ befördern, als viel zu eng und konservativ. Gerade junge Menschen, die ich oft als Teilnehmer meiner Workshops befrage, wollen sich doch im Leben erst ausprobieren und Erfahrungen sammeln, bevor sie später vielleicht in in einer mehr traditionellen und monogamen Beziehung eine Familie gründen.
Worüber also sprechen wir und vor allem: Könnte auch in Deinem Leben die eine oder andere Beziehungsform eine Rolle spielen?
Vielleicht klären wir erst einmal den Begriff. Als alternative Beziehungsmodelle werden heute meist Beziehungskonzepte verstanden, die sich von traditionellen monogamen Beziehungen unterscheiden. Sie umfassen ein breiteres Spektrum emotionaler, sexueller und zwischenmenschlicher Dynamik. Sie basieren auf den Prinzipien von Konsens, Kommunikation und Respekt vor den Bedürfnissen und Grenzen aller Beteiligten.
Diese Modelle erkennen an, dass Beziehungen vielfältig und individuell gestaltbar sind und dass Menschen in der Lage sein sollten, Beziehungen auf eine Weise zu führen, die ihren Bedürfnissen, Wünschen und Lebensumständen entspricht. Auch wenn dies gegen die gesellschaftliche Norm zu gehen scheint.
Alternative Beziehungsmodelle bieten verschiedene Ansätze, wie Menschen ihre Beziehungen gestalten können. Hier beschreibe ich Dir einige wichtige Modelle:
- Offene Beziehung:
Alle Partner in einer offenen Beziehung stimmen zu, romantische oder sexuelle Beziehungen mit anderen Personen zu führen, wobei Ehrlichkeit und Offenheit im Vordergrund stehen.
- Polyamorie:
Dieses Modell ermöglicht es Individuen, mehrere gleichzeitig bestehende, liebevolle Beziehungen zu haben, mit Wissen und Zustimmung aller Beteiligten
- Monogamish:
Ein Begriff geprägt von Dan Savage, der eine überwiegend monogame Beziehung beschreibt, die gelegentlich Ausnahmen für Aktivitäten ausserhalb der Partnerschaft zulässt
- Swinging:
Paare tauschen Partner zu sexuellen Aktivitäten, oft im Rahmen organisierter Veranstaltungen oder privater Treffen
- Polyfidelität:
Eine geschlossene Beziehungsstruktur, in der alle Mitglieder exklusive Beziehungen innerhalb einer Gruppe führen, ohne Außenbeziehungen
- Anarchische Beziehungen:
Beziehungsanarchie lehnt traditionelle Beziehungslabels und -hierarchien ab, indem sie individuelle Freiheit und die Gestaltung von Beziehungen nach eigenen Vorstellungen in den Vordergrund stellt
- Solo-Polyamorie:
Personen, die sich als solo-polyamor identifizieren, führen mehrere Beziehungen ohne den Wunsch oder das Bedürfnis, eine primäre oder nesting-Partnerschaft zu haben
- Platonische Lebenspartnerschaften:
Diese Beziehungen leben eine tiefe, oft lebenslange Bindung über romantische und ohne sexuelle Verbindungen
- Kommunale Liebe:
Hier leben Individuen in Gemeinschaften, die Liebe und Partnerschaften kollektiv und mit geteilten Werten und Verantwortlichkeiten erleben
- LAT Beziehungen (Living Apart Together):
Partner in einer LAT Beziehung führen eine monogame, romantische Beziehung, wollen jedoch getrennt leben, um ihre persönliche Freiheit und Unabhängigkeit zu bewahren
Alle diese Beziehungsformen zeigen Dir, dass Liebe und Beziehung in vielfältigen Formen existiert, die jeweils die individuellen Bedürfnisse, Werte und Vorstellungen der einzelnen Beziehungspartner widerspiegeln.
Queer und LGBT+ Beziehungen
Gerade die Szene in der LGBT+ Bewegung hat viel für alternative Beziehungsformen getan. Kein Wunder! Wenn Du erst einmal Deine Sexualität hinterfragt hast, und Dich für eine Lebensweise entgegen der gesellschaftlichen Norm entschieden hast, ist es nur ein logischer weiterer Schritt, die passende Beziehungsform zu wählen, auch wenn diese erneut von der gesellschaftlichen Norm abweicht.
Schwule und lesbischen Beziehungen bieten ein breites Spektrum an Möglichkeiten, traditionelle Beziehungsnormen herauszufordern. Sie erkunden die Vielfalt der Liebe und Partnerschaft jenseits traditioneller Erwartungen, indem sie die individuelle Freiheit und Identität der einzelnen Partner in den Vordergrund stellen.
Wenn es um Kinder geht, gibt es nicht selten schwule Männer und lesbische Frauen die sich zusammen einen Kinderwunsch erfüllen, eine “Familie” gründen und jeweils noch einen separaten Lebenspartner haben. Da muss vieles “anders laufen” als in klassischen Beziehungen.
Kink, Fetisch und BDSM
BDSM und Kink-Szene kannst Du als weitere Ausprägungen alternativer Beziehungsformen finden. BDSM ist primär ein Sammelbegriff für eine Vielzahl von Praktiken. Dazu können Bondage, Disziplin, Dominanz, Submission, Fetisch und Sadomasochismus gehören, oder auch Kombinationen davon.
BDSM an sich definiert keine Beziehungsform, sondern eher die Art und Weise, wie Du die Machtverteilung, die Kontrolle oder die erotischen Praktiken gestalten willst. Wichtig ist, dass alle Beteiligten ihre Zustimmung geben und dass Du klare Vereinbarungen triffst, um eine gesunde und erfüllende Beziehung zu gewährleisten. Ich spreche gerne von einer Bühne, in der alle Beteiligten ihre Rollen definieren und wo bei einem Spiel Anfang und Ende klar definiert sind.
Ein Konzept innerhalb der BDSM-Szene, das Du durchaus als alternative Beziehungsform betrachten kannst, ist der Total Power Exchange (TPE). Er bezeichnet ein Beziehungskonzept, bei dem eine vollständige Machtübergabe von einem Partner an den anderen erfolgt, oft innerhalb eines festgelegten Rahmens oder Vertrages. Ein gängiger Begriff dafür ist auch 24/7.
Die moderne Entwicklung der Beziehung
Der Mensch hat sich über viele Jahrtausende weiterentwickelt. Unsere mitteleuropäische Gesellschaft hat sich in den letzten hundert Jahren ebenfalls dramatisch weiterentwickelt. Diese Evolution kannst Du auch innerhalb der unterschiedlichen menschlichen Beziehungen wahrnehmen. Alternative Beziehungsmodelle eröffnen Dir neue Horizonte der Intimität und Partnerschaft, die über die traditionellen Grenzen der Monogamie hinausgehen.
Sie bieten Dir die Freiheit, Deine Beziehungen so zu gestalten, dass sie Deinen Bedürfnissen, Wünschen und Träumen entsprechen. Vielleicht bist Du ja bereits beim Lesen der einzelnen Absätze ins Träumen gekommen und hast gedacht: „Ja, das könnte “man” mal probieren…!“ Es muss ja nicht gleich das Konzept einer offenen Beziehung sein. Emotionale Bindungen kannst Du trotzdem pflegen, und sie durch sexuelle Erfahrungen außerhalb Deiner Partnerschaft erkunden.
Deine Experimente können zu einer tieferen, ehrlicheren Kommunikation und zu einem verstärkten Vertrauen in Deiner vielleicht langjährigen Beziehung führen. Sie verlangen allerdings von allen Beteiligten, ihre Gefühle, Grenzen und Erwartungen klar zu artikulieren.
Was Dich mit Anderen verbinden kann
Ich höre oft Geschichten von meinen Teilnehmern, alt oder jung, die nach Jahren der Monogamie zu einer offeneren Beziehung übergegangen sind und dadurch ihre Liebe zueinander anders kennen gelernt haben. Das Aufbrechen der traditionellen Beziehungsmuster wird also nicht das Ende, sondern kann vielmehr den Beginn einer ehrlicheren, erfüllteren Partnerschaft bedeuten. Aus der Paartherapie weiss ich, dass auch Monogamie ohne die Auseinandersetzung mit dem Thema des Fremdgehens kaum funktioniert.
In einer Welt, die sich ständig und immer schneller verändert, in der die individuelle Freiheit und die Selbstverwirklichung stärker denn je geschätzt werden, bieten Dir alternative Beziehungsmodelle eine Plattform für Deine Experimente. Sie sind eine wichtige Grundlage für die Entdeckung Deiner Sexualität, Deiner verborgenen Seiten und am Ende auch für die Verwirklichung Deiner Träume und Ziele.
Natürlich werden solche Experimente Dich und Deine Partner herausfordern. Sie bieten Dir jedoch die Chance, über Deine vorgefasste Vorstellung von Liebe, Partnerschaft und Bindung hinauszugehen und Beziehungen zu schaffen, die so einzigartig und vielfältig sind, wie die Menschen, mit denen Du sie eingehst.
Ich kann Dir nur wärmstens ans Herz legen, diese Offenheit und Vielfalt zu leben. Das lege ich auch den Teilnehmern an meinen Workshops ans Herz. Denn in ALLEN Formen Deiner Sexualität liegt die tiefe Schönheit des Lebens verborgen und die Chance für Dich, Deine authentischste Form der Liebe zu leben und zu teilen.