Gewalt vermeiden, ganz einfach

Übungen gegen alltägliche Aggression

Neulich schrieb mir ein junger Mann, der sich (und mich) fragte, wie er am besten mit dem aggressiven Verhalten seiner gleichaltrigen Freunde umgehen kann. Er erzählte von Partys, auf denen viel Alkohol fließt, die Hemmungen schwinden und das allgemeine Machogehabe regelrecht zum Muss wird. Es kommt dann öfter vor, dass sich Frust und Dominanzgerangel in verbaler und körperlicher Aggression entladen, und er steht mittendrin. Vielleicht hast Du eine ähnliche Situation auch schon erlebt und kannst Dich gut in die entstehende Dynamik hineinversetzen. Ich möchte Dir hier einige Ansätze zeigen, die ich aus vielen Zuschriften und aus meiner eigenen Erfahrung gebildet habe.

Flucht darf ein Zeichen von Stärke sein

Eine meiner wichtigsten Erkenntnisse: Flucht kann manchmal etwas sehr Kluges sein. Als ich jung war und gerade meinen Dienst bei der deutschen Bundeswehr leistete, zog Ich mich am Feierabend bei lautem Gegröle lieber zurück, hörte klassische Musik per Kopfhörer und vertiefte mich in meine Bücher.

Dieses „anders sein“ wirkte auf meine Kameraden offensichtlich so befremdlich, dass sie mich schlicht in Ruhe ließen. Warum also solltest Du Dich in eine brenzlige Lage stürzen, wenn Aggression in der Luft liegt? Manche mögen dies als feige bezeichnen, ich sehe darin konstruktiven Selbsterhalt und gelebte Eigenverantwortung. Vermeide Konfrontation, bevor sie eskaliert – das halte ich für pure Stärke.

Natürlich kannst Du nicht immer abhauen. Vielleicht bist Du gerade mit Deiner Freundin unterwegs und willst sie in einem kritischen Moment nicht alleine lassen. Oder Du findest Dich in einer Situation wieder, in der Flucht keine Option ist. Dann kommt es darauf an, Dich nicht als potenzielles Opfer zu präsentieren.

Aggressive Menschen spüren Deine Unsicherheit wie Raubtiere die Schwachstelle ihrer Beute. Stehe aufrecht, bleibe ruhig, sprich klar und deutlich. Wenn Dich jemand anpöbelt und zum Beispiel sage: „Alta, was guckst Du?“, antworte laut und bestimmt, aber ohne harten Unterton. Vielleicht: „Alles gut, ich hab Dich mit einem guten Freund verwechselt“, und geh einfach weiter. So zeigst Du weder Angst noch provozierst.

Plan B

Als heranwachsender Mann und ganz speziell als Frau solltest Du Dir überlegen, eine Grundausbildung in Selbstverteidigung zu absolvieren. Schlag mal im Internet nach: Krav Maga, Wing Tsun oder Jiu-Jitsu. Bei all diesen Techniken geht es nicht ums Zuschlagen, sondern um Deine innere Haltung und die Verteidigung durch kluges Umlenken der Kräfte und Energien.

Wenn Du Dich in Deinem Leben sicher fühlst, strahlst Du das automatisch aus. Damit ziehst Du weniger Aggression an. Ein tatsächlicher Kampf sollte immer das letzte Mittel sein, falls Du körperlich angegriffen wirst. Alleine das Bewusstsein, Dich im Ernstfall verteidigen zu können, wird Dir die Ausstrahlung von „Finger weg – ich bin kein leichtes Ziel.“ geben.

Ganz wichtig ist es, Deine persönliche Linie zu finden. Wo beginnt für Dich Aggression. Wo willst oder musst Du eingreifen und wo ziehst Du Dich besser zurück? Ein paar Fragen können Dir dabei helfen:

  • Fühlt sich Dein Handeln gerade richtig und stimmig für Dich an?
  • Bist Du bereit, wichtige Bedürfnisse zu opfern, nur um Dich der Gruppe anzupassen?
  • Willst Du Dich auf die Forderungen der Gruppe einlassen?
  • Wo genau liegen gerade Deine Grenzen?

Solche Fragen wirst Du Dir im Leben immer wieder neu stellen: auf Partys, im Job oder in Beziehungen. Vielleicht sprichst Du im (wieder) nüchternen Zustand mit den Leuten, die sich im Rausch aggressiv gegen Dich verhalten haben. Als die Barrieren fielen, hast Du vielleicht sogar herausgefunden, dass „es“ nicht mehr passt. In diesem Fall kann ein klarer Abschied aus dem bisherigen Freundeskreis eine ehrliche und friedliche Lösung darstellen.

Bei jungen Männern ist der Auslöser für ihre Aggression oftmals der Mangel an erwachsenen männlichen Vorbildern. Sie wissen eben noch nicht, wie sie mit ihren Rollenerwartungen und ihrem Testosteron umgehen sollen. Oft wird dies dann durch Kraftmeiere und Aggression ausgelebt. Es fehlen die gesellschaftlichen Initiationsrituale und eine klare Orientierung. Dann kracht es eben. Wenn Du als Mann in diesem Alter bist, suche Dir erwachsene Männer als Mentoren, besuche Workshops oder Gruppen, in denen Du gemeinsam mit Gleichgesinnten erforschen kannst, was das Mann sein jenseits von Tyrannei und Machogehabe bedeuten kann.

Achte auf Dich: Alkohol und Stress

Alkohol reizt den Körper, lässt die Hemmschwelle sinken und schürt so die Gewalt. In meinem Freundes- und Bekanntenkreis haben mir viele berichtet, dass sie unter Alkoholeinfluss regelrecht aus der Haut fahren. Überlege Dir also gut, wie viel Du trinkst und in welcher Stimmung Du bist, bevor Du zur Flasche greifst. Alkohol ist kein Mittel, den Stress des Alltags aufzulösen. Wenn Du permanent unter Strom stehst, kann schon ein kleiner Auslöser Deine Sicherung zum Durchbrennen bringen.

Und noch etwas NLP: Ich habe einmal von einem selbst erklärten Konfliktexperten erfahren, der nach einem Streit ein blaues Auge davontrug. Sein vermeintlich geistesgestörter Gegenüber blieb dagegen unversehrt. Letzterer agierte hochflexibel und wechselte blitzschnell zwischen Humor, Gespräch, Rückzug und Ablenkung und entzog sich damit der starren Haltung des „Ich muss mich wehren“.

Das ist eine wichtige Grundannahme im NLP: Wer die größere Verhaltensflexibilität hat, bestimmt die jeweilige Situation. Vielleicht hilft Dir in einer brenzlichen Situation ein unerwarteter Spruch, ein kleiner Scherz oder das blitzartige Verlassen des Raums. Wenn Du Dich nicht auf einen Plan versteifst, werden sich ganz neue Wege aus einem Konflikt für Dich eröffnen.

Erste Übung: Innere Wut managen

Aggression ist nicht nur ein äußeres, sondern auch ein inneres Thema. Ich halte es für wichtig, die eigene Wut zu erkennen und zu entschärfen, bevor sie sich an Unbeteiligten entlädt. Meditation, Yoga, Atemübungen oder ein mentaler Anker wirken Wunder. Sobald Du spürst, dass Dein Puls steigt und Deine Gedanken sich verengen, halte für einen Moment inne und achte auf Deinen Körper. Wo sitzt Deine Wut? Atme tief und bewusst. Frage Dich, ob Dein übertriebener Perfektionismus oder die unrealistischen Erwartungen Dich in diese Wut versetzen. Wenn Du kurz die Augen schliesst, mit der Hand den Kontakt zu einer festen Fläche suchst und dreimal tief ein- und ausatmest, kannst Du dieses Gefühl wieder loslassen und Dich selbst wieder in den Griff bringen. So bewahrst Du in kritischen Situationen einen kühlen Kopf und reagierst souverän.

Zweite Übung: Ein Schutzschild für die Seele

Eine besonders anschauliche und hilfreiche Übung ist die „Panzerglasscheibe“: Schliesse Deine Augen für einen Moment, atme tief ein und aus und entspanne Deinen Körper. Stelle Dir vor, zwischen Dir und dem, der Dich anschreit, wäre eine unsichtbare Wand aus dickem Panzerglas angebracht. Seine Worte dringen nur matt an Dein Ohr und die Aggressionen prallen allesamt an dieser Scheibe ab. Du kannst die Lautstärke mit einem imaginären Regler auch einfach herunterdrehen. Dieses mentale Bild hilft Dir, ruhig zu bleiben und Dich nicht von Aggression treffen zu lassen. Ob Du diese Vorstellung nutzt oder lieber andere Methoden für eine gewaltfreie Kommunikation einsetzt, spielt keine Rolle. Wichtig ist, dass Du Deine innere Sicherheit bewahrst.

Übung drei: Optionen schaffen

Vielleicht glaubst Du, Du hättest in einer kritischen Siituation nur eine Möglichkeit, zu reagieren. Doch tatsächlich stehen Dir immer mehrere Optionen offen. Denke doch mal an eine aggressive Situation und mache dann in Ruhe eine Liste mit zwanzig verschiedenen und möglichen Reaktionen. Das kann vom wütenden Ausrasten über eine spontane Umarmung bis zum sofortigen Verlassen der Party gehen. Nichts ist zu absurd! Überlege Dir im nächsten Schritt, welche Folgen für die jeweilige Option realistisch eintreten können – und dann triff eine bewusste Entscheidung. Du wirst herausfinden, dass Dir diese Vorbereitung eine Souveränität schenkt, von der andere oft nur träumen.

Übung vier: Der ultimative Perspektivwechsel

Manchmal hilft es Dir, in die Tiefe Deiner Ängste zu gehen. Das „worst case szenario“: Was wäre das Schlimmste, das in dieser Situation passieren kann?

Mit klarem Verstand wirst Du vermutlich feststellen, dass vieles gar nicht so dramatisch ist. In den meisten Alltagssituationen geht es nämlich nicht um Leben und Tod. Wenn Du Dir bewusst machst, dass Du Dein Leben kaum aufs Spiel setzt, kannst Du die entstehende innere Freiheit spüren und leben. Dieser Wechsel der Perspektive lässt den Druck von Dir abfallen und gibt Dir Raum, klüger und gelassener zu handeln.

Aggression im Alltag sind leider real und können Dich jeden Tag treffen. Mal ist es nur eine kleine Spitze, mal ein handfester verbaler oder sogar körperlicher Angriff. Denke daran: Du hast immer einen Handlungsspielraum. Bleibst Du oder gehst Du? Greifst Du ein oder ziehst Du Dich zurück? Mach Dir klar, dass jeder Mensch in seiner eigenen Wirklichkeit lebt. Du musst nicht immer den Helden spielen, wenn Dir nicht danach ist. Klar, Du darfst und sollst Deine Grenzen verteidigen, Deine Sicherheit schützen und Dich auf das fokussieren, was Dir gut tut.

Wenn Du Dich aus dem Zwang befreist, andere mit Deiner Erwartung verändern zu wollen, wirst Du eine Vielzahl an Möglichkeiten erkennen, mit Aggressivität umzugehen. Darin liegt für mich der Schlüssel zum Umgang mit Aggression: Erkenne Deine Grenzen, bestimme selbst, wie Du reagieren willst, übe Gelassenheit und lebe in der Gewissheit, dass Du immer Optionen hast. Du kannst mit Aggressionen umgehen und Dir trotzdem treu bleiben. Experimentiere ruhig mit unterschiedlichen Wegen und traue Dich, im Zweifel einfach zu gehen. Das ist kein Zeichen von Schwäche, sondern der Ausdruck, dass Du Deine Gesundheit, Dein Wohlbefinden und Deine Würde respektierst. Ich wünsche Dir dafür viel Kraft, Klarheit und innere Ruhe!

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Chris Mulzer | Trainer für NLP & Hypnose

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