Perfektionismus – muss das sein?

Überwinde das Streben nach Vollkommenheit

Gehörst Du zu den Menschen, die ihr Leben und ihre Umgebung möglichst vollständig kontrollieren wollen. „Es muss doch perfekt sein!“, ist einer Deiner Lieblingssprüche und natürlich weisst Du auch, was für Deine Mitmenschen das Richtige ist. Ja, es ist wahr, die Menschheit braucht jemanden wie Dich, damit jeder endlich glücklich wird. Die Lösung für die vielen kleinen und großen Probleme, das liegt doch auf der Hand, wäre so einfach, wenn man nur DIR und Deinen Erkenntnissen folgen würde. Wenn Du bei den vorherigen Sätzen mehr als einmal mit dem Kopf genickt hast, dann solltest Du dringend weiterlesen.

Perfekt oder was?

Worüber reden wir hier? Ist Perfektionismus eine Krankheit oder eher eine eigentlich positive Charaktereigenschaft mit manchmal negativen Ausprägungen? Einigkeit besteht unter Fachleuten darin, dass das Streben nach Perfektion im Wesentlichen ein gedankliches Konstrukt ist. Es entsteht in Deinem Kopf. Es kann zwei mögliche Ausprägungen haben. Entweder ist es ein immer währendes Streben nach Vollkommenheit oder es äussert sich als übertriebene Angst vor Fehlern. Mit dieser Definition kannst Du erst einmal arbeiten.

Meist fällt Dir das perfektionistische Streben nicht besonders als negative Charaktereigenschaft auf. „So bin ich einfach“, ist eine häufige Selbsteinschätzung. Wenn Du jedoch Deinem Partner oder Deinen Kollegen und Freunden genauer zuhörst, wirst Du vielleicht öfter Bemerkungen wahrnehmen, die sich auf übertriebenen Perfektionismus beziehen.

Bin ich ein Perfektionist?

Perfektionismus kann, aber muss sich nicht als psychische Krankheit äussern. Lies einmal die nachfolgenden Sätze. Wenn Du Dich in mehr als drei der unten stehenden Punkte wiederfindest, solltest Du nachdenklich werden.

  • Wenn ich meine Ziele nur mit durchschnittlichem Erfolg erreiche, empfinde ich mich als Versager. Ich bin wütend über die kleinen Fehler die ich gemacht habe, denn Fehler sind der Beweis für meine Unfähigkeit. Misserfolge, auch kleine, beschäftigen mich längere Zeit und machen mich ärgerlich.
  • Für mich hat alles seinen Platz und seine Ordnung. Wenn nicht, fühle ich mich unwohl. Meine Kollegen und Freunde halten mich deshalb für einen Perfektionisten. Ich habe Schwierigkeiten, mir übertragene Aufgaben an Andere zu delegieren, weil nur ich den nötigen Ehrgeiz und die Motivation dafür aufbringe.
  • Von anderen Menschen bin ich oft enttäuscht, weil sie nicht so perfekt und geplant handeln, wie ich es tun würde. Die Welt wäre ein besserer Platz, wenn mehr Menschen ihr Leben nach meiner Erkenntnis gestalten würden. Wenn die Dinge nicht nach meinen Vorstellungen laufen, werde ich schnell ärgerlich.
  • Meine Mitmenschen sind meist besser und erfolgreicher als ich. Wenn ich absehen kann, dass ich eine mir übertragene Aufgabe nur gerade so zu Ende bringen werde, beginne ich sie erst gar nicht.
  • Meine Eltern haben (hatten) eine hohe Erwartungshaltung an mich. In meiner Kindheit musste ich funktionieren. Meine Eltern haben frühzeitig kommuniziert, für welchen Lebensweg ich nach ihrer Meinung geeignet bin. Ich bin diesen Weg gegangen, (ich gehe diesen Weg) um Konflikten mit ihnen aus dem Weg zu gehen.
  • Obwohl andere mich für meine Arbeit loben, weiss ich, wieviel ich noch verbessern kann. Meine Ziele und Aufgaben plane ich deshalb so genau, dass sie perfekt werden. Ich gebe in meinem Leben immer das Maximum. Oft habe ich deshalb Schwierigkeiten, meine Aufgaben zu Ende zu bringen.
    df
  • Meine Fehler und Misserfolge nehme ich deutlicher wahr, als meine Erfolge. Wenn andere mich kritisieren werde ich schnell emotional. Mittelmaß, speziell bei meinen Leistungen, ist nicht akzeptabel. Jeder Mensch kann perfekt sein, wenn er sich genügend anstrengt. Deshalb bin ich oft gestresst und unruhig, wenn ich an meine Projekte denke.

Wege aus dem Perfektionismus

Wenn Du Dich in den obigen Beschreibungen mehr als einmal wiedergefunden hast, kannst Du Dir vornehmen, an einem (nämlich Deinem) möglicherweise übertriebenen Perfektionismus zu arbeiten. Auch wenn Dir das Streben danach nicht übertrieben erscheint, kannst Du die Aufgabe annehmen, ein kritisches Verhältnis zu den beiden Aspekten Deines möglichen Perfektionismus zu bekommen.

Prüfe Dein Streben nach Vollkommenheit

Es kommt ganz darauf an, wie Du dieses Streben interpretierst. Vor kurzem habe ich einen berühmten Maler in seinem Atelier besucht. Auf die Frage, wann er weiß, dass eines seiner Gemälde fertig ist, deutete er auf einen Stapel an der Wand lehnender Gemälde und sagte: „Daran habe ich zu viel gemalt! Die Kunst besteht darin, rechtzeitig aufzuhören.“ Ja, dachte ich mir, das ist im Leben vielfach die Kunst.

Es ist der schmale Grat zwischen künstlerischer Unperfektion und einer Perfektion, die leblos geworden ist. Japaner schätzen das Unperfekte so sehr, dass sie einem Stück, das einen kleinen Fehler besitzt, mehr Wert beimessen, als einem perfekt gemachten Stück. „Es ist die Hoheit, die sich in der Hülle des Unperfekten verbirgt. Es ist die herbe Schlichtheit, die dem Verstehenden alle Reize des Schönen offenbart“, sagt Wilhelm Gundert, ein berühmter Ostasienforscher.

Wenn Du zu verstehen beginnst, dass auch dem Unperfekten ein Reiz innewohnt, bist Du ein gutes Stück weiter gekommen. Verstehen, das ist ein gedankliches Konzept. Der Drang, ewig an der Perfektion zu feilen, er kommt von Gefühlen, die zur unrechten Zeit auftauchen.

Meistens, um mit NLP zu sprechen, hast Du unselige und schlechte Anker am Platz. Fühlt es sich für Dich schlecht an, wenn etwas nach Deinen Vorstellungen unperfekt ist? An diesem schlechten Gefühl kannst Du etwas ändern. Vielleicht beginnst Du mit dem Nachforschen, wie es sich mit Deinen Gefühlen wirklich verhält.

Beim nächsten Mal, wenn Du eine Aufgabe wieder einmal fast erledigt hast und Dich im Streben nach Perfektionismus verhedderst, kannst Du Deine Aufgabe doch einfach als erledigt definieren und sie unvollendet lassen und beenden. Das wird sich zuerst nicht gut anfühlen. Du hast jedoch das Bewusstsein darüber gewonnen.

Dann kannst Du nachforschen, woraus genau Deine negativen Gefühle bestehen. Wie erzeugst Du sie? Geschieht es Durch Deinen internen Dialog? Laufen vielleicht Filme vor Deinem geistigen Auge ab? Was immer Du veranstaltest, führt dazu, dass Du negative Gefühle in Deinem Körper generierst.

Leider ist es in den meisten Fällen so, dass, was auch immer Du tust, diese Gefühle in Dir bleiben. Perfektion ist ein nie zu erreichendes, gedankliches Konstrukt. Es ist ein endloses moving away (sich wegbewegen) von schlechten Gefühlen durch Handlungen. Du kommst nie zu einem Ende, weil die schlechten Gefühle in Dir bleiben. Wie findest Du einen Weg aus dieser fest verankerten, endlosen Schleife? Eine Möglichkeit besteht darin, eine Fast Phobia Cure (FPC) zu absolvieren. Mache sie mit einem Freund, der etwas NLP beherrscht.

Deine negativen Gefühle nimmst Du als Basis für einen Ressourcenanker. Frage Dich: Welche Gefühle will ich statt der schlechten Gefühle fühlen? Welche Handlung wäre in dieser Situation zweckdienlicher? Dann kannst Du diese Gefühle als Ressourcenanker erzeugen und ankern. In der FPC lässt Du den Film Deiner Handlung rückwärts ablaufen.

Als Inhalt kannst Du eine typische Handlung Deines Perfektionsstrebens als Basis nehmen. Lösche durch das Rückwärtslaufen die negativen Gefühle und verankere mit dem Ressourcenanker die positiven Gefühle an ihre Stelle. Das veränderte Verhalten wird sich schnell und ganz von selbst einstellen.

Stelle die übertriebene Angst vor Fehlern in Frage

Viele Menschen meinen, andere Menschen würden in bestimmten Situationen bestimmte Reaktionen von ihnen erwarten. Jetzt weisst Du bereits, dass das Gefühl dieser Erwartungshaltung IN DIR entsteht. Es entsteht aus der Angst, andere Menschen würden Dich nicht akzeptieren, oder lieben oder ablehnen, wenn Du nicht das tust, was DU Dir vorstellst, dass sie von Dir getan haben wollen. Merkst Du etwas…?

Wieder ist diese Realität durch ein Konstrukt in DEINEM Kopf entstanden. Du tust so, als wäre Dein Denken die Realität … und Du handelst danach. Sieh nur einmal einem einjähriges Kind zu, das gerade mit dem Laufen beginnt. Es setzt sich hin und denkt nach, was Vater und Mutter wohl von ihm erwarten werden. Dann stellt es sich vor, wie perfektes Laufen funktioniert und überlegt, dass wohl Vati oder Mutti es nicht mögen würden, wenn es nicht gleich perfekt laufen würde. Und dann bleibt es einfach sitzen.

Wenn Du jemals einem Kind beim Laufen lernen zugesehen hast, weisst Du, wieviel Nonsens in den obigen Sätzen steckt. Von Dir jedoch erwartest Du, dass diese Strategie, genau die richtige ist. Wie oft ein Baby hinfällt, bevor es ein paar Schritte läuft, das sagt Dir jeder Vater und jede Mutter – mit viel Liebe in der Stimme. Fehler sind ein wichtiger Bestandteil des Lebens und des Lernens, und sie sind gut.

Diese Veränderung Deines Glaubenssatzes ist der erste Schritt Deiner Veränderung. Und nun zum praktischen Teil des NLP. Tausche die negativen Gefühle Deiner Angst vor möglichen Fehlern gegen positive Gefühle aus. Positiv ist das Bewusstsein, dass fehlerbehaftetes Lernen (trial and error) ein unglaublich hilfreicher Bestandteil Deines Lebens ist. Jedes Mal, wenn Du einen Fehler machst, hast Du die Chance, etwas wirklich Wichtiges für Dich zu lernen.

Die Menschheit würde ohne diese Eigenschaft nicht existieren. Es gäbe niemanden, der Erfindungen macht. Edison brauchte über zweitausend Anläufe, bis er den Kohlefaden fand, der die Glühbirne als Folge hatte. Es gäbe keine Fortschritte in der Kunst. Michelangelo kratzte Teile der Decke der Sixtinischen Kapelle wieder ab, weil er erst lernen musste, wie die Technik der Freskomalerei funktioniert.

Am Anfang schaffte er etwa einen halben Quadratmeter pro Tag und dies nur nach mühseligen Vorzeichnungen. Am Ende waren es zwölf Quadratmeter und er malte einfach direkt auf den nassen Putz. Was ich damit sagen will? Selbst große Erfinder und Künstler MÜSSEN Fehler machen. Es wird Zeit für Dich, für Deine Fehler gute Gefühle zu entwickeln.

Das Ankern ist hier die Technik Deiner Wahl. Mache Dir einen grossen und positiven Ressourcenanker. Nutze das SWISH Pattern um Deine negativen Gefühle gegen selbst gestaltete und sehr positive Gefühle auszutauschen. Sei großzügig mit Dir! Wenn es sich gut anfühlt, Neues zu erforschen und dabei Fehler zu machen, wirst Du viel mehr lernen und sehr viel mehr Spass dabei haben.

Wenn Du Dir öfters selbst im Wege stehst, kannst Du natürlich die Möglichkeit nutzen, alle oben beschriebenen Techniken in einem meiner Workshops zu lernen und anzuwenden. Die NLP Grundausbildung oder der Hypnose Workshop eignet sich hervorragend dafür. Du verbringst einen ganzen Tag damit, die FPC zu lernen und anzuwenden. Und Du wirst im Workshoip sehr viel Zeit damit verbringen, Dir gute Gefühle zu machen und sie in unterschiedlichsten Lebensbereichen anzuwenden.

2 Antworten

  1. Manchmal .. also manchmal fallen deine Newsletter in den perfekt passenden Stuck State .. 😅

    Besonderen Dank für diesen hier und die entwaffnende reductio ad absurdum 😊

  2. Hallo Chris,

    danke für Deine wöchentlichen Artikel, die mich immer wieder inspirieren, zum Nachdenken anregen und neue Perspektiven generieren.
    Das „Streben nach Vollkommenheit“ ist für mich immer wieder eine schöne Motivation, tiefer und immer noch tiefer einzutauchen in die komplexen Zusammenhänge des Objektes meines Perfektionsstrebens,
    sei es nun das perfekte Steak auf dem Grill zu bereiten, das vollkommene Bier zu brauen oder auf was auch immer ich meine Aufmerksamkeit gerichtet habe.
    Ich freue mich dabei immer wieder darüber, neue Zusammenhänge zu entdecken, ein tieferes Verständnis für die Materie zu entwickeln und bessere Resultate zu erzielen. Dabei ist für mich hier der Weg das Wichtige, darüber, ob ich das Ziel (Perfektion) jemals erreiche, gebe ich mich keiner Mutmaßung hin.
    Für mich liegt der wesentliche Unterschied dabei zwischen begeistertem Streben und verbissenen Ehrgeiz.
    Habe ich das Gefühl, mich durch mein Streben nach Vollkommenheit in meinen Optionen einzuschränken, klingeln meine Alarmglocken und ich steuere dagegen.
    Bei einem solchen Zustand stimme ich Deinen Ausführungen vollkommen zu.
    Wie Paulus schon sagte:“Alles ist erlaubt, aber nichts soll euch gefangennehmen“.

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Chris Mulzer | Trainer für NLP & Hypnose

Seit über 25 Jahren lehre ich Menschen das Modell von NLP und die Techniken von Hypnose. Ich glaube fest daran das jeder Mensch in sich die Ressourcen trägt um sein Leben selbständig und nach eigenen Maßstäben zu gestalten.

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